"Krebs - meine Geschichte"

Aufgrund meiner Selbständigkeit habe ich versucht Auto zu fahren., das geht allerdings noch nicht. Laufen kann ich ebenfalls nur kurze Strecken. Meine Mutter betreut die Agentur telefonisch, obwohl sie schon 72 Jahre alt ist, muß sie jetzt nicht nur mich betreuen, sondern auch meinen Kundenstamm. Eine Kundin verletzte so sehr meine Gefühle, daß ich schnellstens gesund werden muß. Sie war der Meinung, daß ich eine unverschämte Vertreterin bin, die sich wagt ihren Ehemann hier ins Büro einzubestellen. Natürlich weiß sie von meinem Krebs. Das zeigt mir, daß sobald eine Versicherungsfachfrau krank ist, dann auch noch zur unverschämten Vertreterin mutiert!!

Für die Arbeit, die ich in meine Agentur gesteckt habe, die Zeit, die Urlaube, die ich nicht machen konnte. Die Ferienzeit, die mein Sohn hier verbringen mußte, ohne daß ich mich richtig um ihn kümmern konnte. Die Weihnachtszeit, die ich meistens bei Kunden verbrachte, zeigt mir, daß nur ein gesunder Mensch ein guter Mensch sein kann. Ich kann es nicht zulassen, daß mir meine Agentur weggenommen wird, denn "nothing is going on, but the rent", wie die Amerikaner zu sagen pflegen. Das bedeutet jetzt für meine mutierten Zellen, daß sie sich sofort vom Acker zu machen haben.

Es kann nicht angehen, daß ich meinen Sohn hier alleine lasse. Ich sehe auch nicht ein, daß ich soviel Zeit und Kraft in meine Arbeit investiert habe, und jetzt soll alles vorbei sein. Ruck zuck, der Krebs wird jetzt besiegt, so sehe ich das. Allerdings muß ich den Krebs als Chance nehmen und auch umdenken.
Wenn ich jetzt als kranker Mensch nichts mehr wert bin und bei den Leuten nur als gesunder Mensch was tauge, ist dann meine Arbeit es überhaupt wert, daß ich nicht in Urlaub gehe, die Wochenenden opfere und auch noch alles persönlich nehme und manchmal verzweifle? Das kann es nicht sein! Irgendwie muß ich meine Arbeit anders organisieren, andere Lösungen suchen und dann werde ich auch andere Wege finden. Arbeit ist eine Sache, Gesundheit ist allerdings wichtiger.

Mein Verkaufsleiter und unser Direktor haben mir zugesagt, daß sie sich so gut es geht um meine Kunden kümmern und mir in der Krankheitszeit (Genesungszeit klingt besser), zur Seite stehen. Das hat mich sehr gefreut und auch aufgebaut. Als Selbständiger gibt es weder Arbeitlosengeld noch Sozialhilfe. In meinem ganzen Leben bin ich unserem Staat noch nie zur Last gefallen und so soll es auch bleiben. Ich kann mir nicht vorstellen, von irgendwelchen Ämtern zu leben, eher ginge ich putzen.

Persönlich sah ich den Tod nicht und ich hoffe, er kann noch eine Weile auf mich warten. Krebs ist eine heimtückische Krankheit. Jeder behauptet immer gern, daß man abnimmt oder irgend etwas merkt. Weder nahm ich ab, noch habe ich etwas bemerkt, bis eben am 30.09.2000. Laut Arzt weiß man auch nicht, wann sich ein Karzinom bildet, ob sofort, innerhalb von 8 Wochen oder längerfristig.

Andere Krebspatienten sagten mir, daß es bei Krebs eine "psychologische Betreuung" gibt. Da ich nicht weiß, wie diese psychologische Betreuung aussieht, kann ich mich auch darüber nicht äußern. In Mannheim gibt es keine psychologische Betreuung für Krebspatienten. Meines Erachtens haben wir hier in der Stadt aber eine Selbsthilfegruppe für Krebspatienten. Darüber kann ich aber auch nichts sagen, da ich noch nie da war. Schade ist es schon, daß man mental nichts für uns Krebspatienten tut.

Es kann auch nicht sein, daß ich mein Leben in die Hände von Ärzten gebe. Zur Hölle nein! Mein Unterbewußtsein, oder wie es Sigmund Freud als "Überich" ausdrückt, hat heilende Kräfte, die ich selbst aktivieren muß. Bisher war ich immer eine starke Persönlichkeit, das wird auch in Zukunft so bleiben. Es bringt mir nichts, wenn ich hier sitze und mich bedaure. Es bringt mir allerdings etwas, wenn ich mich mit dem Thema (Diagnose) auseinandersetze und alles versuche gesund zu werden. Ich habe auch "Null-Bock" darauf, mich zu bemitleiden. Die Frage warum ich Krebs habe, habe ich mir auch nicht gestellt. Gott sei Dank hat Prof. Dr. E. mir auch keine Zeit genannt, wie lange ich noch zu leben hätte. Er weiß wenigstens, daß man sich meistens selbst programmiert und nach der abgelaufenen Zeit, locker verstirbt.

Trotzdem habe ich ihn wirklich danach gefragt, ob ich noch 10 Jahre für meinen Sohn hätte. Was für eine blöde Frage! Nur, wenn man so auf die Schnelle mit der Diagnose konfrontiert wird, dann frägt man wahrscheinlich so einen Müll. Nach diesen 3 Wochen jetzt, frage ich mich nicht, wie lange noch, sondern ich beschäftige mich damit zu gesunden.

"Think positive" ist zwar abgedroschen, aber ich glaube daran. Nur mit einer positiven Lebenseinstellung kann man in der heutigen Zeit, wo es nur noch um Macht und Geldgeilheit geht, überleben. Der einzelne Mensch scheint ja nicht mehr zu zählen, nur wenn er wie oben erwähnt, funktionsfähig ist. Nun, ich habe Krebs, aber funktionsfähig bin ich trotzdem noch und ich gebe nicht auf!



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© Eva-Maria Schubert-Laudenklos