Krebs - meine Geschichte 23.01.2002
Kotz, der Lähmungseffekt zog nicht ganz an mir vorüber und das blöde Wasser auch nicht.
Um 1.00 Uhr heute Nacht hustete ich und dachte, daß mein Aquarium nicht funktioniert. Was allerdings
nicht funktionierte, war meine eigene Luftzufuhr. Na ja, irgendwann wachte ich richtig auf und begann
zu begreifen, daß ich eben "einfach" keine Luft bekomme. Schaffte es aber später, mich kerzengerade
aufzusetzen. Mir war die absolute Sitzstellung lieber. Zu meiner "Freude" kam natürlich
noch der Lähmungseffekt der Beine dazu.
Rundum blieb ich einfach 1/2 Stunde sitzen und wartete bis ich solala mit dem Husten fertig war.
Glücklich atmete ich dann mal durch und versuchte auf die Krücke
zu kommen. Das linke Bein geht irgendwie, trotz Knieluxation. Das rechte Bein ziehe ich "einfach" nach.
So habe ich zwar keinen richtigen Stand, aber zum Schlurfen reicht es.
Tja, dann saß ich mal still und stumm 2 Stunden im Wohnzimmer und atmete ein und aus.
Mit der Röchelei und Husterei habe ich natürlich auch noch meinen Sohn aufgeweckt.
Ach so, natürlich kann mir keiner in diesen Situationen helfen und deshalb habe ich mit ihm ausgemacht,
daß ich - nur dann - rufe, wenn es absolut notwendig ist.
Heute versucht er seine Tür zu schließen. Immerhin muß er in die
Schule (Gymnasium, sein Notendurchschnitt beträgt 1,9) und das ist in dieser prekären
Situation auch gut so. Da sieht er etwas anderes und ist abgelenkt. Beliebt ist er sowieso und hat viele
Freunde, die ihm zur Seite stehen. Auch seine Lehrer nehmen Anteil an unserem Leben und helfen ihm so gut sie
können. Sollte das jetzt ein Lehrer lesen, bedanke ich mich für die soziale Verantwortung,
die sie (die Lehrer) meinem Sohn entgegen bringen.
Am nächsten morgen rief ich meinen Onkologen an. Dr. Sch. hätte kommen sollen, um mein
Fieber zu messen, die Beine zu checken und Blut abzunehmen, wegen "Clemens". Dr. Sch. sagte, er müsse
wegen des Blutes morgens kommen und er riefe an. Wir, die Familie und ich, warteten jetzt schon 2 Tage
geduldig auf seinen Rückruf. Der kam allerdings bis heute nicht.
Somit fragte ich den Onkologen, was ich jetzt noch tun könnte, denn der Krebs rastet ja
mittlerweile im ganzen Körper aus.
Der Onkologe riet mir, nochmals bei Dr. Sch. anzufragen, ob
er mich vielleicht vergessen hätte. Nun, ich fragte zurück, was es "mir" persönlich
eigentlich bringen würde, wenn Dr. Sch. die Untersuchungen durchführt?
Wissen würde ich, ob die weißen Blutkörperchen stimmen, oder, ob das Blutbild wegen
"Clemens" auch noch hin ist. Weiterhin bringt es mir nichts, denn Fieber
kann ich auch messen. Die Beine sind auch schon fast geklärt, denn der Krebs frißt
die Nervenbahnen an und was soll man da tun? Somit bringt es mir überhaupt nichts, wenn
Dr. Sch. kommt oder gekommen wäre. Wir, der Onkologe und ich vereinbarten daraufhin, daß
ich ihn gar nicht mehr erinnere, denn eine Verbesserung wird durch sein Kommen nicht erreicht.
Während ich sogar meine, daß Dr. Sch nur einen Tag in der Woche für Hausbesuche übrig hat
und es eigentlich logisch ist, daß er mich nicht vergaß. Denn Dr. Sch. ruft auch mal so
bei mir an und frägt nach, wie es mir geht. Also, keine Panik und vor allen Dingen, jetzt nicht
noch eine Paranoia bekommen! Anrufen muß er auch nur, da ich nicht weiß, ob ich gerade mal laufen kann
oder nicht!
Mein Onkologe wollte mir einen Gefallen tun und mich in die Pflegestation eines Mannheimer Krankenhauses
einweisen, damit ich Tag- und Nacht wirklich betreut bin.
Klar hat er Recht, vom ärztlichen Standpunkt her. Es ist seit ein paar Tagen nur noch eine
Quälerei. Rappel mich aber irgendwie immer wieder hoch. Ich lehnte generell ab!
Nein, ich bleibe hier in meiner Wohnung mit meinem Sohn, meinen Kanarien und meinen Fischen,
meiner homepage, meiner Musik und meiner bisweilen "winzigen" Lebensqualität. Achtung, die "winzige",
jetzige Lebensqualität kann sich morgen wieder um 200 ° steigern. Nun, es klingt
bescheuert, aber ich achte schon auf mein "Tagesbefinden". LOL = laughing out loud!
Abgeben tue ich immer noch nicht. Noch geht es mir (kein Scherz) nicht schlecht genug, um das
Leben abzugeben. Sitze auch nicht im Schlafanzug rum, oder hänge im Bett ab und leide.
Neee, neee ich nehme noch aktiv am Leben teil, auch, wenn es manchmal schwer fällt. Jeder, der
das liest, kann ja verstehen, daß man auch in der Krebszeit, gute und schlechte Zeiten hat.
Nur, der Wechsel in Tagen oder jetzt Stunden ist graß. Stecke mal kurz, so sehe ich es, in
einer "Krebs-Rezession", wenn man das so - schreiben und beschreiben - kann.
Werde aber versuchen auch den Tod evtl. akzeptieren zu lernen. Aha, schon die Einschränkung "geistig"
evtl. akzeptieren. D. h. ich schreibe Euch mit einer Hand, aber spontan, was ich denke. Zack, kam eben vollkommen klar,
das Wort evtl. dazwischen. Psychologisch gesehen, habe ich also keinen Bock überhaupt "ehrlich" an den Tod
zu denken.
Ach so, Clemens scheidet jetzt am 04.02. natürlich auch aus.
Außerdem will ich auch nicht in einem Pflegeheim sterben, sondern immer noch hier Zuhause,
wenn es denn schon sein muß!
Kleines Zitat von Loriot:
"Im Moment eigentlich eher gar nicht!"
"Der Zeitpunkt ist etwas ungünstig!"
Bin ich nicht goldig?
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