Eine kleine Weihnachtsgeschichte, erlebt vor ungefähr 20 Jahren

Ein ungewöhnlicher Weihnachtsabend





An einem 24. Dezember klingelte das Telefon. Ich war sehr von dem Anrufer überrascht; der Mann wollte eine Perserkatze kaufen. Gut, daß er eine Perserkatze kaufen wollte war noch in Ordnung und auch nicht ungewöhnlich, aber am "Heilig Abend"? Kurz entschlossen, da ich der Sache üerhaupt nicht traute, bat ich ihn um die Telefonnummer, um ihn zurückzurufen. Nach dem ersten Klingeln hörte ich erneut seine Stimme. "Es war kein Scherz!" Der Mann wollte mit aller Gewalt und Vehemenz, daß wir ihm (mein Mann und ich) die Katze in die Pfalz fahren sollten und zwar jetzt gleich. Es war mittlerweile 15.00 Uhr. Verstehen konnte ich ihn nicht. Natürlich sagte ich ihm das auch direkt, daß ich am Heilig Abend jetzt eigentlich nicht meine Perser durch die Gegend fahren wollte. Er beharrte aber darauf, daß er die Perser dringend jetzt und nicht früher oder auch nicht später haben müßte. Sein Sohn hätte sich so auf die Perser gefreut und er wollte ihn überraschen. Daraufhin fragte ich ihn, ob er denn überhaupt ein Katzenklo, Futter usw. hätte. "Natürlich" kam sofort seine Antwort.
Er klang aber so bestimmend und trotzdem auch traurig irgendwo, daß ich nicht widerstehen konnte. Es war ja Weihnachten und ich wollte schon seinem Sohn, unbekannterweise, eine Freude machen.
Wir hatten nur noch unseren Rico (Amerigo) und er war ein wunderschöner Cremekater. Nachdem ich mit dem Mann auch noch die Farbe besprochen hatte, erklärte ich mich bereit, daß wir gemeinsam ihm die Katze bringen würden. Er sagte uns noch zu, daß er die Benzinkosten übernehmen würde. Sprachlos wie ich war, überzeugte ich meinen Mann, daß wir "gemeinsam" jetzt in die Pfalz fahren würden, Eis hin, Schnee her. In diesem Jahr hatten wir immens viel Schnee und natürlich auch Glatteis. Nur aufgrund seines Sohnes erklärte ich mich innerlich überhaupt dazu bereit in diesem Wetter 100 km zu fahren (Hin- und Rückfahrt).

Wir standen nach 2 Stunden Fahrt, obwohl die Fahrt einfach ja nur ca. 50 km betrug, vor einer Riesenvilla. Erst dachten wir beide, das ist doch ein Scherz! Aber nein, er öffnete die Tür und ließ uns rein.

Wir zeigten ihm Amerigo und ich fragte ihn, ob er ihn denn mag. Ich war immer sehr eigen, wem ich meine Tiere verkaufte, ich züchtete aus Lust und Tierliebe und nicht wegen irgendwelchem Profit.

Ja sagte er, Rico ist ein wunderschönes Tier und ja er wüßte auch, wie man Perserkatzen pflegt, Kämmen des Fells etc. Rico schnurrte sogleich, somit war mir der Mann sofort mal symphatisch.
Er gab uns das Geld und fragte, ob wir noch etwas mit ihm trinken würden. Er gab auch zu, daß es schon eine Zumutung gewesen sei, aber sein "Sohn". Natürlich wollten wir seinen Sohn kennen lernen, der war aber irgendwo bei Freunden, meinte der Mann. Ja, sagte ich, sind sie Witwer? Sie leben ganz allein mit ihrem Sohn in dieser großen Villa!? Nein, meinte er, er wäre verheiratet und seine Frau sei auch irgendwo beim Einkaufen. Ob wir nicht noch eine Weile bleiben könnten, fragte er danach.
Irgendwie war mir das unangenehm, da ich Weihnachten eigentlich mit meiner Familie und meinen Tieren und vor allen Dingen Zuhause verbringen wollte.
Ich konnte es aber nicht ausschlagen, er war so traurig, trotz Rico auf dem Schoß. Wir blieben eine Weile und er zeigte uns das ganze Haus, mit Swimming Pool, Sauna und Riesengarten mit dekorierten Weihnachtsbäumen. Rico bekam in der Zwischenzeit Wasser, Futter und einen Korb zur Verfügung gestellt. Die Weile betrug dann so ca. 3 Stunden. Mitten in der Nacht fuhren wir dann noch mit Werbegeschenken seiner Firma still und leise Nachhause.

Seine Frau, oder seinen Sohn haben wir nie kennen gelernt. Ich glaube, irgendwie feierte er wohl mit unserem Kater ganz allein Weihnachten in diesem großen Haus.

Die Geschichte ist mir auch heute noch so lebhaft in Erinnerung, obwohl sie schon 20 Jahre her ist.
Seit der Zeit weiß ich ganz genau, daß Geld wirklich nicht alles ist. Diese tiefe Trauer, diese Einsamkeit die er in sich trug, vergesse ich nie. Rico hatte ein Superleben, er konnte draußen rumrennen ohne Gefährdung, er bekam das Feinste und von unserem Käufer eine Menge überschüssiger Liebe. Mit Rico's Besitzer blieben wir telefonisch in Kontakt, bis er starb. Leider verstarb er schon mit 54 Jahren.




Trotzdem war es für mich eines der traurigsten Weihnachtserlebnisse die ich hatte.

Weihnachten ist das Fest der Liebe und somit für mich ein Fest der Familie und den Menschen, die man sehr liebt und mag. Weihnachten war für mich noch nie ein Fest der Trauer, Besinnlichkeit ja, aber nicht der Einsamkeit.

Deshalb wünsche ich auch allen Menschen eine Frohe Weihnachten ohne Einsamkeit.



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© Eva-Maria Schubert-Laudenklos